Selbstbesteuerungsgruppe Bischof Kräutler

Amazonas

Das Gebiet Amazonien, der Regenwald, die Indianer und alles, was dazugehört, sind stark gefährdet. Die jüngste Gefahr droht vom Boom um den neuen Biotreibstoff Ethanol. Bischof Kräutlers Sicht ist in diesen Fragen sehr klar und aufrüttelnd:

Gibt es da eine Chance, dass der Präsident Lula da Silva hinsichtlich des derzeitigen Ethanolbooms in Brasilien einmal umdenkt, oder sieht er jetzt nur die Dollars, die aus den USA sprudeln?

 

Vorläufig meine ich, dass er nur die Dollars sieht. Seit Mr. Bush ihm ins Ohr geflüstert hat, dass Brasilien weltweit federführend mit dem Ethanol sein kann, ist er überzeugt, dass das das Richtige ist. Wir reden ja nicht von Biosprit, sondern von Agrosprit. Bei «Biosprit» meint man, das sei etwas Umweltverträgliches, und, und, und. Was da an Flächen zugrunde geht, wo man früher Mais hätte anpflanzen können...

 

Aber was da zugrunde geht, passiert legal, im Gegensatz zu Holzfällerfirmen, die zu einem großen Teil illegal den Wald abholzen?

 

Der Lula sagt natürlich: Nein, Amazonien wird nicht bluten müssen für Ethanol. Aber das sagte man bei Soja genauso! Und es blutet ja schon. Schon lang. Man geht nicht durch die Haustür hinein, sondern kommt von hinten her. Das kommt von Mato Grosso herauf, und wir sitzen in Zentralamazonien. Meine Diözese geht ja vom Norden in den Süden, also bis in den Bundesstaat Mato Grosso im Norden des Amapa. Also ich bin überall, wenn ich unterwegs bin, und kann wirklich sagen, was da läuft. Also im Süden der Diözese ist das alles schon geschehen. Da ist alles schon abgebrannt. Es gibt eine Gemeinde, wo nur noch 10% der ehemaligen Vegetation stehen. Woanders steht noch mehr, weil es dort Indianergebiete gibt, und die sind abgegrenzt. Aber was nicht Indianergebiet ist: Alles weg! Alles. Ich habe das nicht in der Zeitung gelesen, sondern noch am 11. Mai, an Pfingsten, war ich dort. Ich war stundenlang mit dem Jeep unterwegs, und weit und breit kein Baum zu sehen! Das ist alles nur noch Weidefläche. Die Erosion hat den Rest dazugetan. Es gibt bereits kahl geschlagene, aufgegebene Gebiete, die versteppt sind. Ein Programm der Wiederaufforstung, oder dass man dieses Gebiet wieder fruchtbar macht, wird ein Riesenaufwand sein. Ob es überhaupt möglich ist, weiß ich nicht. Da muss man die Experten fragen. So wie es jetzt aussieht, bin ich sehr, sehr skeptisch.

Und wenn das Zuckerrohr kommt, wird man sagen: Hier steht eh kein Wald mehr, das benützen wir, wenn es noch halbwegs fruchtbar ist. Und Zuckerrohr ist eine Monokultur, und jede Monokultur bringt eine Art von Sklaverei mit sich. Da gibt es nämlich eine Erntezeit, und dazu werden nur Saisonarbeiter angeheuert, und die werden schlecht bezahlt, und da gehen die alten Geschichten wieder von vorne los.

 

Das ist für mich erschütternd, das zu hören. Und natürlich stellt sich mir die Frage: Was können wir hier konkret tun?

 

Das ist immer die Frage, und es fällt mir sehr schwer, darauf zu antworten. Man muss global umdenken und nicht sagen: Das ist ein brasilianisches Problem, sondern: Die klimatischen Folgen von diesem Raubbau, von Abholzung und Brandrodung in Amazonien machen nicht an der schweizerisch-österreichischen Grenze halt. Über kurz oder lang wird man das bei uns spüren. Man redet heute nicht mehr von der «Lunge der Welt», das ist wissenschaftlich auch nicht so besonders untermauert gewesen, aber dass Amazonien eine Klima regulierende Funktion hat, da gibt es kaum einen Wissenschaftler, der das abstreitet. Es geht um das Weltklima. Die Polkappen schmelzen...

Man kann Amazonien nicht allein verantwortlich machen – es gibt ja katastrophale CO2-Emissionen zum Beispiel in Nordamerika –, aber dass Amazonien Klima regulierend ist, davon bin ich absolut überzeugt. Darum sitzen wir alle im gleichen Boot.

Was kann man tun? Natürlich – was nützt eine Demonstration in Wien oder in Vaduz oder in Bern? Vor die Botschaft zu gehen und etwas zu machen, bringt nichts.

Aber man kann diese oder jene Organisation, die weltweit arbeitet, unterstützen. Du kannst nur so etwas machen. Frau Merkel und Herr Gusenbauer waren bei Lula, aber da frage ich mich, welchen Einfluss sie dort überhaupt haben. Wahrscheinlich haben sie selbst Interesse am Ethanol.

 

Frau Merkel hat ja betont, dass die Produktion von Ethanol in Brasilien kein Problem für den Regenwald sei, sondern sich alles bestens miteinander verträgt...

 

Das ist ja der größte Witz. Wenn solche Autoritäten kommen, werden sie in Brasilien feierlich empfangen, und haben absolut keine Möglichkeit, sich vor Ort ein Bild zu machen. Sie müssen halt glauben, was man ihnen sagt. Das ist shake-hands, alles ist künstlich-herzlich angelegt.

Jede Regierungsverantwortliche müsste meines Erachtens die Fakten im Vorfeld studieren und Leute herholen von beiden Seiten, die ihre Haltung verteidigen und Erfahrung haben, auch hinsichtlich dessen, was negativ läuft. Bei so einem Staatsbesuch müssen solche Dinge einfach zum Thema werden! Es genügt nicht, dass man ein schönes Foto von ihr macht und dass sie für die Medien belanglose Dinge redet, belanglos bis zum Gehtnichtmehr.

Sie müsste sagen: «Ich bin da informiert worden, dass...» Damit die Brasilianer merken, dass sie etwas weiß darüber. Sie hätte sagen sollen: «Wie sieht das tatsächlich aus? Meine Informationen sind die: ...» Und das einfach aufdecken. Wie steht es um die Menschenrechte? Kein einziges Wort darüber!

 

 

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